September 2019

Der Ort, an dem sich das Dorf trifft

Seit zehn Jahren existiert das Mehrgenerationenhaus in Löhnberg / Neue Zielgruppen im Blick

(Quelle: WT)

LÖHNBERG. Egal, ob jemand Musik, Kunst, Geselligkeit oder ein warmes Mittagessen sucht – aus dem Löhnberger Dorfleben ist das Mehrgenerationenhaus nicht mehr wegzudenken. Wo sich heute Jung und Alt ganz selbstverständlich begegnen und austauschen, fing vor zehn Jahres alles mit der Nachmittagsbetreuung der Schulkinder an.

„Wenn man eine schöne, kostenfreie Infrastruktur bietet, ist der ein oder andere bereit, sich einzubringen.“

Frank Schmidt, Löhnbergs Bürgermeister

In den Augen von Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) und von Thomas Zipp, Leiter des Mehrgenerationenhauses (MGH), ist die Einrichtung ein Erfolgsprojekt geworden und mittlerweile ein Selbstläufer. Innerhalb von zehn Jahren habe sich das Mehrgenerationenhaus zur wichtigsten Anlaufstelle für Jung und Alt entwickelt, sind sich „Die Resonanz war in der Bevölkerung [..] positiv. „Es gibt mehr freiwilliges Engagement, als man denkt“, sagt der Rathauschef. Und das nicht nur aus der Kerngemeinde. Auch Vereine aus den anderen Ortsteilen nutzten die moderne Infrastruktur in Löhnbergs Dorfmitte.

Rund 45000 Personenbewegungen im Jahr hat Zipps Team gezählt. Zum Vergleich: Würde man das auf die Einwohnerzahl der Großgemeinde umrechnen, bedeutete dies, dass jeder Einwohner zehn Mal im Jahr das MGH aufsucht.

Das Mittagessen für Kita- und Schulkinder sowie Senioren bezeichnet Schmidt dabei als Stützpfeiler des Löhnberger MGH. Anfangs hätten 19 Kinder am Tisch gesessen, erinnert sich Zipp. Heute gehen zu Spitzenzeiten 150 Mittagessen über die Theke. Im Schnitt seien es 20 Senioren, die mit den Kindern zusammen essen. Den Preis für die warme Mahlzeit habe die Kommune relativ stabil halten können, freut sich der Bürgermeister – heute kostet sie 3,50 Euro, beim Start waren es drei Euro.

Was die Bürger in das historische Ensemble lockt, ist aber auch das vielfältige Kursangebot: Für Grundschulkinder sind es im Laufe der Woche 14 unterschiedliche Angebote. 180 Kinder sind insgesamt angemeldet. Weil Familien aber auch nur einzelne Kurse buchen können, sind es im Schnitt zwischen 60 und 70 Kindern am Tag, die nach der Schule dort betreut werden. Mitunter kommen auch Kinder, die mittlerweile eine weiterführende Schule besuchen, nachmittags noch zur Betreuung, berichtet Zipp. Aber auch für Erwachsene und Migranten hat das MGH eine Auswahl bereit, vom Stricktreff und Nähkurs, über den monatlichen Markt bis hin zu Sprach-, Computer und Kochkursen. Konzerte im Innenhof, Theateraufführun¬gen und Ausstellungen locken regelmäßig ein breites Publikum in die Dorfmitte. Das einzige No Go: private Feiern. Der Grund ist einfach: „Wir wollen der Gastronomie im Ort keine Konkurrenz machen“, sagt der Rathauschef.

Die niederschwelligen Beratungsangebote des MGH Teams würden ebenfalls regelmäßig in Anspruch genommen, ob von Menschen mit Migrationshintergrund, die Hilfe im Wirrwarr deutscher Bürokratie benötigen, oder von Angehörigen, die sich Tipps rund um das Thema Pflege holen, erklärt Zipp.

Auch mit der Frage, wie man den eigenen Körper nach dem Tod der Medizin für Forschung und Lehre zur Verfügung stellen kann, werden die Mitarbeiter schon mal konfrontiert und suchen dann in ihrem Netzwerk den richtigen Ansprechpartner. Sechs Stellen sind im Mehrgenerationenhaus im Laufe der Zeit geschaffen worden.

„Wenn man eine schöne, kostenfreie Infrastruktur bietet, ist der ein oder andere bereit, sich einzubringen“, meint Bürgermeister Schmidt. Das Mehrgenerationenhaus ist eine Einrichtung des Hessischen Diakoniezentrums Hephata. Zur Finanzierung tragen der Bund und die Gemeinde bei. Aus Berlin gibt es jährlich 30000 Euro Fördermittel, der Eigenanteil der Gemeinde liegt bei 10000 Euro, mit denen Nebenkosten und Küchenpersonal sowie Sekretariat finanziert werden. Zudem leitet die Kommune die Zuschüsse für Schulbetreuung an Hephata weiter.

Das Wort, Mehrgenerationen¬haus“ schwirrte freilich schon länger als zehn Jahre durch die Löhnberger Gassen. Schließlich war die Gemeinde bereits im Jahr 2006 in das Bundesprogramm aufge-nommen worden – damals als einziger Standort im Landkreis Limburg-Weilburg. Die anfangs übersichtliche Zahl an Anqeboten war während der „Geburtsstunde“ noch verstreut auf verschiedene Standorte, etwa den evangelischen Gemeindesaal, die Kita „Habakuk“ und das Feuerwehrgerätehaus in Niedershausen.

Da kam es den Verantwortlichen gelegen, dass das ausgediente, denkmalgeschützte Gemeindeamt mit Fördergeldern vor dem Verfall gerettet werden konnte. Und so fanden im „Städtischen Hof“, in dem nach seiner Errichtung lm Jahr 1905 einst Bürgermeisteramt, Gefängnis, Viehstall, Feuerwehr und bis 2007 der Bauhof untergebracht waren, nach und nach eine Cafeteria, ein kleiner Saal, die Bücherei, das Gemeindearchiv, eine Werkstatt und – seit dem Ausbau eines angrenzenden Gebäudes – auch das Wassermuseum sowie eine moderne Küche samt altem Dorfladen Platz.

Offiziell eingeweiht wurde das Mehrgenerationenhaus am 30.November 2009. Und auf den Tag genau zehn Jahre später will die Gemeinde dies in diesem Jahr mit einer Feierstunde begehen – am Vorabend des Löhnberger Weihnachtsmarkts, dessen neues Zuhause seit vergangenem Jahr ebenfalls der idyllische Innenhof des Geländes ist.

Und wie sieht die Zukunft des Mehrgenerationenhauses aus? Mit der Eröffnung des Demenzzentrums und des Komplexes für altersgerechtes Wohnen in wenigen Metern Entfernung sollen auch Verbindungen zu diesen beiden Einrichtungen geschaffen und entsprechende Angebote auf die Beine gestellt werden, sagt Zipp. Darüber hinaus hat der MGH-Leiter aber noch eine weitere Zielgruppe im Blick: die Jugendlichen. Das historische Ensemble soll auch für die Zwölf- bis 18-Jährigen zum Treffpunkt werden, so sein Wunsch.

Kollegen nehmen ihm die Sorgen

Yamen Wahbi arbeitet in der Gemeindeverwaltung in Löhnberg / Syrische Familie ist voll integriert

(Quelle: WT)

LÖHNBERG. Yamen Wahbi kam mit seiner Frau Manal und seinen beiden Kindern Celina (8) und Haidara (5) 2015 nach Deutschland. Nach über zwei Jahren auf der Flucht hat er in Löhnberg eine neue Heimat gefunden.

Zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht, hat er seit 2017 eine Wohnung der Gemeinde gemietet und lebt dort mit seiner Familie. Von Anfang an war es ihm und seiner Frau wichtig, in der neuen Heimat schnell Fuß zu fassen, sich zu integrieren. Beide besuchten Deutschkurse. Im Mehrgenerationenhaus hat sich Yamen nützlich gemacht. „Wo Arbeit war, habe ich etwas gemacht“, sagt er. So haben ihn Löhnbergs Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) und auch Thomas Zipp, Leiter des Mehrgenerationenhauses, als zuverlässigen Arbeiter kennen und schätzen gelernt.

Als nun in der Finanzabteilung der Gemeindeverwaltung eine Stelle zu besetzen war, hat Frank Schmidt nicht lange gezögert und die Stelle Yamen Wahbi angeboten. In seinem Heimatland Syrien hat der 36- jährige von 2006 bis 2011 Wirtschaft mit Schwerpunkt Rechnungswesen studiert, hat dann im IT-Kundendienst gearbeitet und war Manager und Standortleiter in einem Kundendienstzentrum eines Telekommunikationsunternehmens.

Yamen hat Glück, das Studium wird hier anerkannt. Als klar war, dass er die Stelle bei der Gemeinde , bekommen würde, hat er sich sechs Mo-nate lang per e-Learning weitere Kenntnisse über Rechnungswesen und Controlling angeeignet. Die Prüfung hat er mit der Note „sehr gut“ abgelegt. Seit Anfang Mai 2019 arbeitet er nun für die Gemeinde in der Finanzabteilung, fünf Tage pro Woche, jeweils sechs Stunden. Er prüft Rechnungen, sortiert sie und leitet sie an den Steuerberater der Gemeinde weiter. Sein kleines Büro ist bereits voll mit Ordnern. Die Arbeit gefällt ihm und er lobt seine Kollegen. „Ich hatte schon einige Kontakte über meine ehrenamtliche Arbeit im Mehrgenerationenhaus“, erzählt er. „Besonders Thomas Zipp und Johannes Kurz haben mir und meiner Familie sehr geholfen, uns schnell zu integrieren.“

In der Gemeindeverwahung hat er schnell alle Kollegen kennengelernt. „Jeder ist hilfsbereit und zeigt mir alles. Gerne schaue ich auch mal, was die so alles machen. Ich hatte keine Vorstellung, was in einer Gemeindeverwaltung alles für Arbeiten anfallen“, berichtet er und ergänzt: „Wenn man solche Kollegen hat, hat man keine Sorgen.“

Yamens Motivation ist groß. Nebenbei macht er jetzt noch einen Steueramtslehrgang. Die Verständigung klappt gut. „Wenn sie Hochdeutsch mit mir reden“, meint er mit einem Lächeln. „Wenn sie Dialekt reden, ist es schwieriger.“

Engagement bei den „ Dreschflejeln“

Privat engagiert sich Yamen bei den „Nirrerschhäuser Dreschflejeln“, wo er seit drei Jahren Mitglied ist. Yamens Frau Manal arbeitet in einer Löhnberger Arztpraxis [..]. An Fastnacht frisiert und schminkt sie dort auch die Auftretenden. „Unsere Kinder haben gar keine Probleme mit der Integration“, sagt Yamen. „Celina kommt in die dritte Klasse und ist gut in der Schule, Haidara kommt jetzt in die Schule. Sie haben viele Freunde, die gerne zu uns nach Hause kommen und in unserem Garten spielen. Einen arabischen Akzent haben die beiden nicht, aber Hessisch babbeln sie.“