(Quelle: Sozialdemokrat, Ausgabe April-Mai 2016)
Löhnberg ist eine kleine Gemeinde nördlich von Weilburg im Landkreis Limburg-Weilburg. Wenn man mittags zwischen 12 und 14 Uhr im Mehrgenerationenhaus in der Dorfmitte eintrifft, merkt man, dass die klangliche Nähe zum Schwedischen Bilderbuch-Kinderidyll Lönneberga kein Zufall sein kann: Hier bekommen alle Kinder ein warmes Mittagessen, ein gutes Dutzend Senioren ebenfalls und manchmal setzt sich auch Bürgermeister Frank Schmidt (50) dazu.
Er ist im vergangenen Februar wieder gewählt worden mit 67,8 Prozent. Die SPD, deren Ortsvereinsvorsitzender er ebenfalls ist, hat bei der Kommunalwahl am 6. März in Löhnberg stattliche 62,6 Prozent geholt. Das sind Ergebnisse, Vor denen Sozialdemokraten andernorts nur träumen können. Bei seinem Amtsantritt 2009 regierte im Gemeindeparlament noch eine Koalition aus CDU und FWG, die SPD hatte 49 Prozent.
Dazwischen liegt eine Politik, die of fensichtlich gut bei den Wählerinnen und Wählern ankommt: Für Kinderbetreuung zahlen Familien mit Kindern im Alter von ein bis zehn Jahren in der 4400-Seelen Großgemeinde keinen Cent. Damit können sie pro Kind an die 15 000 Euro sparen, wenn sie das komplette Angebot nutzen. Das ist durchaus ein gutes Argument nach Löhnberg zu ziehen: Seit der Einführung der kostenlosen Kinderbetreuung ist der Ort um 200 Köpfe gewachsen – vorher schrumpfte er, wie so Viele Gemeinden auf dem Land.
„Mit dem Angebot der kostenlosen Kinderbetreuung verhindern wir auch das Ausbluten der ländlichen Region“, sagt Schmidt. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete hat nach seiner Wahl zum Bürgermeister sein politisches Lieblingsthema mit der Realität konfrontiert – und es passt. „Das gemeinsame Aufwachsen von Kindern ist unheimlich wichtig“, sagt er. Bildung fängt eben nicht erst in der Schule an. Mit nur zehn Euro weniger Kindergeld pro Familie, so hat er schon in seiner Zeit in Berlin ausrechnen lassen, könnten in ganz Deutschland alle Kindertagesstätten gratis sein.
„Es kann doch nicht sein, dass Betreuung und frühkindliche Bildung eine Frage des Geldbeutels der Eltern ist“, davon ist der bald dreifache Vater überzeugt. Doch wie sieht es mit dem Geldbeutel der ohnehin klammen Kommunen aus? Löhnberg steht deswegen seit 2013 unter dem finanziellen Schutzschirm des Landes Hessen. Das bedeutet, dass das Land ein strenges Auge auf die Finanzen hat und die rote Karte zeigt, wenn die Kommune mutwillig auf dringend benötigte Einnahmen Verzichtet. Wie also kann man trotzdem kostenlose Kinderbetreuung anbieten?
Die Rechnung macht Schmidt mit spitzem Bleistift auf: Je mehr Kinder eine Betreuungseinrichtung besuchen und je länger pro Tag sie das tun, desto mehr Zuschüsse erhält eine Gemeinde vom Land Und weil die Betreuung in Löhnberg nichts kostet, nehmen das viele Eltern gern an.
„Wenn die Bude voll ist, gibt es also auch mehr Geld, der einzelne Platz wird günstiger“, erklärt Frank Schmidt. Denn Festkosten für Personal, Gebäude und deren Unterhalt bleiben ja gleich, auch wenn manche Kinder schon um 12 Uhr abgeholt werden.
So hat Löhnberg den Gemeindeanteil für die Betreuungskosten von zuvor mehr als 70 Prozent auf gut 50 Prozent senken können. Außerdem sind alle Betreuungseinrichtungen in städtischer Hand, auch die für Schulkinder. Und alle drei Einrichtungen sind sehr groß (100 bis 120 Kinder), die größten im Landkreis Limburg-Weilburg. Das senkt ebenfalls die Kosten.
Trotz Rettungsschirm hat die Gemeinde in drei Jahren rund 20 Millionen Euro investiert, was bei den gegenwärtig minimalen Zinsen sinnvoll ist. Investiert wurde vor allem in öffentliche Gebäude, um die Energiekosten zu senken. Mit Erfolg: Bereits im dritten Jahr in Folge kann die Kommune wieder ihren Haushalt ausgleichen.
Auch die Zuweisung von 100 Flüchtlingen in einen Ortsteil mit nur 2500 Einwohnern bietet keinen Anlass für Unruhe im Ort, wie so oft anderswo. Dafür hat Frank Schmidt für die Gemeinde selbst Immobilien gekauft, für die Flüchtlinge herrichten lassen. Und damit interessierte, aber ziemlich gierige private Betreiber – „die mit den Dollarzeichen in den Augen“ – gleich aus seinem Büro geworfen. Die Betreuung und tägliche Verwaltungsarbeit von der Kleiderkammer bis zur Kontoeröffnung für die Ankömmlinge besorgen zudem hauptamtliche Sozialarbeiter. Die sind auch gleichzeitig Ansprechpartner für die Bevölkerung, falls es irgendwelche Probleme gibt.
Es gibt auch in Löhnberg viele Menschen, die gern in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich mithelfen. „Die werden bei uns aber nicht mit so vielen Problemen allein gelassen, dass sie schnell wieder Reißaus nehmen, sondern bleiben auch dabei“, sagt Schmidt.- (MPH)